Sind Hobbyfotografen die besseren Fotografen?
Ja, das ist provokativ, aber wer den Rest liest, der wird sich vielleicht auch so seine Gedanken machen:Ich habe mich diese Woche mit ein paar Fotografen getroffen und dabei ging es dann natürlich auch um neue Kameras und somit auch um die Sony A7III. Auf jeden Fall waren sich alle einig, dass das die Kamera ist, die man als Profi braucht, weil sie auch bei schlechtem Licht noch Fotos machen kann und sooooo nen Dynamikumfang hat.
Ähm? Hallo? Ist Fotografie jetzt das Malen ohne Licht? Fotografieren alle Profis jetzt Vamiprhochzeiten in schwarz gestrichenen Kapellen, in die noch nicht mal Mondschein dringen darf? Ich als Hobbyfotograf mache mir ein besseres Licht, wenn ich mit dem Licht vor Ort nicht zufrieden bin. Je besser ich in der Fotografie geworden bin, um so seltener brauche ich RAW (und den riesigen Dynamikumfang), weil ich es mit meinem zusätzlichen Licht schaffe das Bild im geeigneten Dynamikumfang zu halten.
"Als Profi hat man gar nicht die Zeit, um zusätzliches Licht zu setzen!" Hat man die nicht, oder nimmt man sich die nicht? Wodurch unterscheidet sich dann ein Profi noch von Onkel Herbert, der sich auch ne A7 gekauft hat und bei ISO 3 Mio fotografieren kann? Was wird in 5 Jahren sein, wenn auch günstige Kameras die entsprechende Dynamik können? Ist es wirklich der Fotografen Weisheit letzter Schluss im Schlosspark mit dem 70-200 und einem Aufsteckblitz mit Joghurtbecher drauf den Himmel an zu blitzen um "gute" Hochzeitsfotos zu machen? Der Assi trägt die Kameratasche anstatt einen Diffusor, Reflektor, oder Blitz zu halten. Ich sehe Fotografen die stellen ihr Brautpaar ernsthaft mit dem Gesicht zur Sonne. OK, so bräuchte ich auch einen Wahnsinnsdynamikumfang, um Brautkleid und Anzug gleichzeitig richtig zu belichten. Aber die je nach Uhrzeit zusammengekniffenen oder ganz im Schatten liegenden Augen bekomme ich auch mit Dynamik nicht weg. Aber vielleicht verstehe ich das als einfacher Hobbyfotograf ja nur nicht richtig.
Wirklich verrückt wurde die Diskussion dann erst als es um die A7 oder doch die A7R ging. OK, einer hatte wohl wirklich schon mal ein 10x3 Meter Plakat fotografiert, an dem man in unter 3 m Abstand vorbei ging, weil es in einer Unterführung ist, aber für normale Plakate gibt's ne Formel aus Abstand und Größe und bei der kommt raus, dass man mit 19 oder gar 24MP weit auf der sicheren Seite ist.
Doch dann kam das Argument schlecht hin: "Ich kann bei so einer Auflösung den Ausschnitt den ich haben will hinterher auswählen". War das nicht genau das, das den Fotografen vom Knipser unterscheidet, dass er sich vorher schon Gedanken ums Foto macht und erst dann abdrückt?
Also hier die aktualisierte Definition des Profifotografen:
Er hat eine A7RIII, belichten seine Bilder um 3 Blenden unter, die kann er hinterher problemlos wieder hoch ziehen, hat aber seine Lichter auch voll im Griff und schneidet die Fotos dann erst am Rechner zu. Das Bild wird natürlich bei ISO 6400 mit einer 1/4000-Sekunde belichtet, damit es auch so knackscharf ist, wie es nur das neuste G-Master hin bekommt.
Klarstellung:
• Das Ganze ist natürlich überspitzt, aber die Ereignisse sind echt.
• Die A7 ist ohne Frage ne tolle Kamera, es geht also nicht um Sony-Bashing.
• Es gibt auch einige tolle Profifotografen, die ich als Vorbild sehe, es gibt aber auch einige, die scheinbar nie richtig Fotografieren gelernt haben, oder einfach so lustlos sind, dass ihnen alles egal ist. Ähnlich wie die Köche, die Fertigprodukte verwenden.
• Durch facebook und Co. sind so viele schlechte Fotos unterwegs, dass wir (und die Leute, die wir fotografieren) uns an schlechte Fotos gewöhnt haben (McDonalds-Effekt).
• Wenn ich Konzerte fotografiere und auch Fotos vom Publikum machen soll, dann stoße ich auch gelegentlich an die Grenzen meiner Kamera und würde mir ne bessere ISO-Performance wünschen. Allerdings sind 90% der Fotos, die hinterher am meisten beachtet werden, welche bei denen das Publikum nur als Schattenriss oder zumindest deutlich unterbelichtet vor dem farbigen Licht der Bühne steht.
Fazit:
Ich liebe die Fotografie und vielleicht habe ich ja jemanden zum Nachdenken gebracht und dazu das was er tut wieder mit etwas mehr Liebe zu tun, denn die Kunst ein gutes Licht zu setzen und die Kreativität bleiben, egal wie sich die Technik in den nächsten Jahren entwickeln wird.
So, jetzt darf gerne diskutiert werden. Wie sind Eure Erfahrungen? Welche Gedanken macht Ihr Euch über die Fotografie?